Die COVID-19-Pandemie hat die Welt erschüttert und zu mehr Volatilität geführt, aber die Welt reagiert angesichts von Krisen und Chancen nicht unerwartet. Wir haben beobachtet, dass COVID das Tempo der Digitalisierung exponentiell beschleunigt hat. Satya Nadella, CEO von Microsoft, hat bekanntlich erklärt, dass die digitale Transformation mehrerer Jahre auf nur wenige Monate beschleunigt wurde.
Die Welt wird unbestreitbar immer digitaler. Eine der Folgen der Digitalisierung sind mehr Daten. Die IDC prognostiziert in ihrem Bericht „Data Age 2025“, dass die weltweite Datenmenge bis 2025 auf 175 ZB ansteigen wird1. Diese Daten werden im Core (traditionelle und Cloud-Rechenzentren), am Edge und auf Endgeräten wie PCs, Smartphones und IoT-Geräten gespeichert sein. Darüber hinaus werden 30 % dieser Daten in Echtzeit konsumiert werden.
Dies ist zum Teil auf die Fortschritte in der Technologie zurückzuführen. Die Datenübertragungsgeschwindigkeiten mit 5G sind bis zu 100 Mal schneller als bei früheren Mobilfunkgenerationen, und die Latenzzeit sinkt in der Regel von 20 ms auf 1 ms2. Diese neuen Möglichkeiten erhöhen die Geschwindigkeit der Datengenerierung und die Fähigkeit, Daten in Echtzeit zu verarbeiten.
Ein Großteil dieser Echtzeitdaten wird von stationären Geräten erzeugt und verbraucht: Leuchtmittel, Sicherheitskameras, Haushaltsgeräte. Ein Drittel der Hausbesitzer hat die Nutzung von Endgeräten während der Pandemie erhöht, darunter fast die Hälfte (46 %) der Besitzer smarter Türschlösser3. Ein erheblicher Prozentsatz ist jedoch mobil: Wearables im Gesundheitswesen, vernetzte Fahrzeuge, Sensoren, die Lieferketten verfolgen und überwachen. Im November 20204 gingen allein in den USA 45 % des Internetdatenverkehrs von Mobiltelefonen aus.
Diese explosionsartige Zunahme von Geräten hat die Definition des Nutzers radikal verändert, da Maschinen, Skripte und Software nun eine Rolle übernehmen, die früher nur dem Menschen vorbehalten war. Dieses Wachstum wird sich voraussichtlich fortsetzen.
Gleichzeitig nimmt die Zahl der Menschen, die diese Technologien nutzen, weiter zu. Im Jahr 2019 gab es 4,9 Milliarden Internetnutzer. Bis Ende 2022 wird erwartet, dass diese Zahl auf 6 Milliarden ansteigt. Und für das Jahr 2030 sagen Experten voraus, dass 90 % der prognostizierten Weltbevölkerung - 8,5 Milliarden – im Alter von sechs Jahren und älter digital aktiv sein werden5. Viele dieser Nutzer sind heute in fast allen Bereichen ihres Lebens auf digitale Dienste angewiesen. So stieg beispielsweise die Nutzung der Telemedizin während der Pandemie um sagenhafte 6000 %6.
Der Druck und die Anforderungen einer verteilten, digital aktiven Gesellschaft in Verbindung mit der explosionsartigen Zunahme von Endgeräten signalisieren den Beginn einer dritten Internet-Ära.
Wir glauben, dass diese dritte Welle des Internets unweigerlich den Aufstieg und die Entwicklung des Edge-Computing zur Folge haben wird. Wie wir wissen, hat die Transformation des Internets die Welt in die PC- und Internet-Ära geführt. Cloud Computing und die Einführung von Smartphones haben die Ära des mobilen Internets eingeleitet. Jetzt treten wir in eine dritte Ära ein, dem Internet der bewegten Dinge.
Die Herausforderungen dieser Ära treiben den Wandel im Edge-Ökosystem voran, weg vom statischen und geschlossenen Edge 1.0 hin zum offenen und autonomen Edge 2.0. Dieser Prozess ist vergleichbar mit der Evolution von Einzellern zu komplexen Organismen.
In der Anfangsphase der Cloud-Bewegung dominierten beispielsweise einige große Public Clouds und Content Delivery Networks (CDNs) die Bereitstellung von Internetanwendungen und digitalen Diensten. Diese Anbieter fungierten als zentrale Kontrollpunkte für das Ökosystem der Internetanwendungen, ähnlich wie die zwölf Hirnnerven in einem menschlichen Körper funktionieren. In Zeiten von immer mehr neuen Anwendungsbereichen und einem wachsenden Cloud-Ökosystem sehen wir die Notwendigkeit, dass digitale Dienste Entscheidungen in Echtzeit auf der Grundlage von lokalem Wissen am Edge, also dem „Rand“ des Internets treffen, ähnlich wie das autonome Nervensystem im menschlichen Körper.
Dies ist die Entwicklung, die den Edge in eine neue autonome Ära treibt. Dies ist nicht überraschend. Jede Welle des Internets brachte neue Herausforderungen mit sich, die zum Teil durch Edge-Computing gelöst wurden.
Tim Berners-Lee, der Erfinder des World Wide Web, sah das Problem der Überlastung bei der Übertragung großer Mengen von Webinhalten über langsame Verbindungen voraus, mit dem die Internetnutzer konfrontiert sein würden; er nannte dieses Problem „World Wide Wait“. Der Schwerpunkt des damals vorherrschenden Paradigmas lag passenderweise auf der Verteilung der relativ statischen Web-Inhalte oder Web-Anwendungen, um sie näher an die Benutzer zu bringen und so den Bedarf an Geschwindigkeit und Redundanz zu decken. Diese Notwendigkeit führte zu einer Reihe wichtiger Architekturgrundsätze, darunter ein physischer Point of Presence (PoP) in der Nähe der Endnutzer, Caching von Inhalten, Standortvorhersage, Stauvermeidung, verteilte Routing-Algorithmen und mehr.
Mit dem Aufkommen von Web 2.0, Public Clouds und SaaS-Lösungen wurden neue architektonische Grundprinzipien eingeführt. Anwendungen wurden zur primären Form von über das Internet genutzten Inhalten. Daher konnte der verteilte Edge nicht in seiner ursprünglichen Form bestehen bleiben: Er musste sich zusammen mit den Anwendungsarchitekturen, die er bereitstellte, weiterentwickeln und stand gleichzeitig unter zunehmendem Druck, eine wachsende digitale Wirtschaft zu sichern. Da ein großer Teil der globalen Wirtschaft nun in hohem Maße von handelsorientierten Anwendungen abhängt, wurden Sicherheitsangebote schnell zu einem zusätzlichen Standbein von CDN-Anbietern, deren bestehende Präsenz rund um den Globus näher am Benutzer liegt – und die somit Bedrohungen früher beseitigen können – als die Cloud und das traditionelle Rechenzentrum. Diese Dienste wurden auf der für die Verteilung von Inhalten geschaffenen Infrastruktur aufgebaut und stellen daher geschlossene, proprietäre Umgebungen dar.
Heute sind Anwendungen keine „passiven“ Routing-Ziele des Bereitstellungsnetzwerks, sondern aktive Teilnehmer. Bei Kubernetes-basierten verteilten Anwendungen beispielsweise kann die Anwendungslogik – verpackt in einem Container – dynamisch zu jedem geeigneten Rechenstandort mit einem unterstützenden Kubernetes-Stack wechseln. Dies steht in direktem Gegensatz zu den Architekturprinzipien, auf denen frühe Edge-Lösungen aufgebaut waren. Diese stammen nämlich aus einer Zeit, in der Inhalte (oder Anwendungen) statische Entitäten waren, die mit den physischen Standorten verbunden waren. Solche Edge-Lösungen gehen davon aus, dass das CDN (Content Delivery Network) allein als „intelligente Plattform“ fungiert, um Benutzer mit Anwendungen zu verbinden, während die Anwendungen (und Benutzer) nur passive „Endpunkte“ für die „intelligente Plattform“ sind. Dieser Ansatz ist nicht mehr der beste architektonische Weg, um Benutzer mit Inhalten oder Anwendungen zu verbinden.
Auch die Nutzer haben sich weiterentwickelt: Nicht nur, dass ihre digitalen Ansprüche und ihr Hunger auf digitale Angebote um Größenordnungen höher sind als es zum Start des ersten CDN im Jahr 1998 der Fall war, sondern die Technologie hat auch eine Änderung der Definition des Begriffs „Nutzer“ erzwungen. Heute kann ein „Nutzer“ durchaus eine Maschine, ein Skript oder ein automatisierter Dienst sein, der im Auftrag eines Menschen handelt. Es könnte ein Sensor sein, der kritische Daten von einer Produktionsanlage oder einem Acker sammelt. Einerseits entsprechen diese „Benutzer“ weiterhin den Wünschen der Menschen nach Schnelligkeit, Sicherheit und Datenschutz. Andererseits sind diese neuen „Benutzer“ – intelligente IoT-Endpunkte mit eingebetteten Anwendungsstacks – oft an der dynamischen Verarbeitung von Anwendungslogik und Datenanalysen beteiligt, um sichere und optimale digitale Benutzererfahrungen zu bieten.
Die zentralen Herausforderungen für Anwendungen, die mit der Edge-Technologie gelöst werden sollten – Geschwindigkeit und Sicherheit – bestehen auch heute noch. Was sich geändert hat, ist die Definition der Anwendung (von einer statischen Instanz an einem festen Standort zu beweglichen Container-Einheiten), des Benutzers (von einem menschlichen Benutzer zu einem intelligenten „Ding“), des Standorts (von einer IP-Adresse zu einem logischen Identifikator) und der Anwendungsfälle, die das Edge unterstützen soll (von der Bereitstellung von Inhalten bis zur dynamischen Verteilung von Anwendungen und der Echtzeit-Entscheidungsfindung am Edge).
Die digitale Transformation und das IoT bringen neue Anforderungen an digitale Erfahrungen mit sich, die eine Verteilung von Anwendungen, Echtzeit-Intelligenz und Entscheidungsfindung am Edge erfordern. Daher wird Edge-Computing zu einem wichtigen Wegbereiter der digitalen Transformation in der Branche. Laut dem Bericht „State of Application Strategy“ von 20217 haben 76 % der Unternehmen Edge-Implementierungen durchgeführt oder planen diese aktiv. Dies geschieht meist, um die Anwendungsperformance zu verbessern und Daten für Analysen zu erfassen.
Darüber hinaus sind in der jüngste Runde der digitalen Transformation eine große Anzahl von „Dingen“ hinzugekommen. Der Annual Internet Report von Cisco8 sagt voraus, dass es „bis 2023 mehr als dreimal so viele vernetzte Geräte auf der Erde geben wird wie Menschen. Etwa die Hälfte der weltweiten Verbindungen werden zwischen Geräten (M2M, Machine-to-Machine) sein. Dieser M2M-Bereich wird von verbraucherorientierten ‚Dingen‘ in Smart Homes und Smart Cars dominiert werden.“ Aufgrund der früheren Trennung von IT und OT (Operational Technology, also Betriebstechnik) hat das Cloud Computing zwar zu einem starken Anstieg der Rechenleistung geführt, doch das Hinzufügen von „Dingen“ stellt die Cloud-Netzwerkarchitektur vor neue Herausforderungen. In der mobilen IoT-Umgebung der Edge-2.0-Ära werden IT und OT konvergieren und leistungsfähigere intelligente Erfassungs- und Automatisierungsfunktionen erhalten. Mit anderen Worten: Zusätzlich zu der durch Cloud Computing ermöglichten zentralen Datenverarbeitung wird der Netzwerkrand eine Fülle von Geräten und Daten zusammenführen und eine enorme Rechenleistung in der Nähe des Endpunkts bereitstellen, wodurch ein großer Mehrwert geschaffen wird.
Damit Unternehmen von den Vorteilen von Edge 2.0 profitieren können, benötigen sie unter anderem eine Plattform für die Anwendungsverteilung, die auf eine ganzheitliche Anwendungsverteilung ausgerichtet ist und auf neuen technologischen Designprinzipien basiert.
Eine Edge 2.0-Anwendungsverteilungsplattform muss auf den folgenden zentralen Designprinzipien beruhen:
Die verteilte Echtzeit-Intelligenz, die Edge 2.0-Anwendungsplattform bieten werden, spielt in der digitalen Welt von morgen eine zentrale Rolle. Für die meisten Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Anwendungsbereitstellungsmodelle neu konzipieren müssen. Die derzeitige Anwendungs- und Servicebereitstellung basiert auf einem zentralisierten Modell mit der Anwendungslogik im Mittelpunkt. Die Anwendungslogik wird in einer Public Cloud oder in privaten Rechenzentren gehostet. In der Edge 2.0-Ära werden die Infrastruktur, die Daten und die Anwendungsarchitektur stärker verteilt sein und dem Peer-to-Peer-Ansatz folgen. Wir gehen jedoch davon aus, dass dieser Übergang keine Revolution, sondern eine Evolution im Sinne der Verbesserung der heutigen Technologien zur Anwendungsbereitstellung sein wird.
Mit jahrelanger Erfahrung in den Bereichen Multi-Cloud-Anwendungssicherheit und Technologie für die Anwendungsbereitstellung hat F5 schon immer die Erfordernisse von Anwendungen – dem wichtigsten Kapital eines Unternehmens im digitalen Zeitalter – erfüllt. In der Edge-2.0-Ära wird sich der Edge von einem geschlossenen zu einem offenen Modell wandeln. Mit der kürzlichen Übernahme von Volterra ist F5 in der perfekten Position, um die Entwicklung dieses Paradigmas der Edge-2.0-Anwendungsverteilung anzuführen.
Heute beschleunigen alle Branchen ihre digitale Transformation. Wir wissen, dass die Edge-Bereitstellung allmählich Teil der Anwendungsstrategie unserer Kunden wird, und wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit ihnen, um diese neue Welle des Internets zu meistern.
1 IDC: Data Age 2025 (Datenzeitalter 2025)
2 https://www.gsma.com/wp-content/uploads/2019/04/The-5G-Guide_GSMA_2019_04_29_compressed.pdf
3 Park Associates/small>
4 Statista, „Share of Traffic Coming from Mobile Devices“ (Anteil des Datenverkehrs von Mobilgeräten)
7 F5 2021 State of Application Strategy report (Bericht zum Stand der Anwendungsstrategie 2021)