Die Virtualisierung von Netzwerkfunktionen (NFV) wurde in der Telekommunikationsbranche in den vergangenen Jahren mit unterschiedlicher Intensität vorangetrieben, viele behaupten jedoch, die Technologie habe an Attraktivität verloren.
Zwar sind die Akzeptanzraten hinter den ursprünglichen Prognosen zurückgeblieben, doch vieles deutet darauf hin, dass NFV heute so relevant ist wie nie zuvor. Vielleicht sogar noch mehr.
In einer NFV-Architektur ist die Hardware von der Software entkoppelt. Eine gemeinsame Hardwareschicht (handelsübliche Server) wird genutzt, um eine große Vielfalt von vom Anbieter bereitgestellten Netzwerkfunktionen zu hosten, die in virtuellen Maschinen ausgeführt werden. Diese werden als virtuelle Netzwerkfunktionen (VNF) bezeichnet.
Bei optimaler Nutzung können NFV-Architekturen die Bereitstellung neuer Dienste und Netzwerkfunktionen beschleunigen und eine nahezu in Echtzeit erfolgende elastische Netzwerkskalierung ermöglichen, um die Gesamtbetriebskosten zu senken.
Aufgrund der technologischen Komplexität und einer damit eng verbundenen Qualifikationslücke verlief die Einführung von NFV bislang langsamer als erwartet. Dass die Industrie die erwarteten Kostenvorteile nicht frühzeitig einlösen konnte, hat ebenfalls zu Vertrauensverlusten geführt. Hinzu kommt, dass sich die Bereitstellung, Patchung und Orchestrierung von VNFs verschiedener Anbieter als schwierig und kostenmäßig unerschwinglich erwiesen hat, schon allein im Hinblick auf das reine Rechenvolumen.
Dennoch – ungeachtet des Murrens in der Branche und der Engpässe bei der Bereitstellung – ist NFV bei den meisten Dienstanbietern noch immer stark im Fokus. Und das aus gutem Grund.
Tatsache ist, dass Dienstanbieter aufgrund von 5G eine Netzwerkvirtualisierung und damit NFV benötigen .
Ungeachtet der bestehenden Hindernisse bei der Einführung wird die 5G-Technologie rasch zu neuen Service-Anwendungsfällen führen, die jeweils unterschiedliche Netzwerkanforderungen hinsichtlich Geschwindigkeit, Latenz und Isolierung mit sich bringen.
Um eine Bereitstellung im großen Maßstab zu ermöglichen, muss das zugrunde liegende Netzwerk softwaregesteuert und automatisiert sein. Aus diesem Grund brauchen wir NFV: Es ist ein notwendiger evolutionärer Schritt auf dem Weg zur allumfassenden Virtualisierung.
Die COVID-19-Pandemie hat auch die Aufmerksamkeit der Telekommunikationsunternehmen auf die Technologie verstärkt, da die Möglichkeit zur softwaredefinierten Fernsteuerung, -verwaltung und -bereitstellung von Netzwerkdiensten immer beliebter wird.
Laut Zahlen von Research and Markets soll der globale NFV-Markt von 12,9 Milliarden US-Dollar im Jahr 2019 auf 36,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024 wachsen, was einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 22,9 % entspricht.
Eine Umfrage von Ovum ergab, dass 60 % der Dienstanbieter in den nächsten zwei Jahren mit einer flächendeckenden Einführung von NFV rechnen (heute sind es nur 20 %).
Dieselbe Studie legt auch nahe, dass einige der heutigen virtuellen Maschinen und VNFs zwar auch bis 2030 bestehen bleiben werden, die Organisationen, die sie betreiben, jedoch wahrscheinlich auf deutlich andere Weise agieren werden. Hierzu gehört, dass Dienstanbieter durch Automatisierungs- und Orchestrierungstools mehr Möglichkeiten erhalten, neue Dienste zu verbessern und einzuführen. Dabei könnte es sich um kommerzielle Plattformen herkömmlicher Telekommunikationsanbieter handeln. Es könnten auch dieselben Open-Source-Tools sein, die ihre IT- und Cloud-Kollegen verwenden (z. B. Ansible oder Terraform).
Interessanterweise beginnen einige Dienstanbieter nun damit, ihre Cloud- und NFV-Teams zusammenzulegen, was die Entwicklung bewährter Branchenmethoden für die gemeinsame Nutzung von Tools, die Bereitstellung von Diensten und die Automatisierung weiter vorantreiben wird.
Vor etwas mehr als einem Jahr hat eine Allianz aus Telekommunikationsunternehmen und Anbietern die Common NFVi Telco Task Force (CNTT) ins Leben gerufen, um NFV-Standards zu vereinfachen. CNTT zielt darauf ab, die Branche auf einheitliche Implementierungen einer Virtualisierungsinfrastruktur für Netzwerkfunktionen (NFVi) auszurichten, um den Aufwand für die Einführung virtueller Netzwerkfunktionen (VNFs) und letztendlich Container-Netzwerkfunktionen (CNFs) zu verringern. NFV ist eindeutig nicht tot – es entwickelt sich gerade weiter.
Es ist davon auszugehen, dass wir in absehbarer Zukunft sowohl VNFs als auch CNFs nebeneinander für unterschiedliche Funktionen eingesetzt sehen werden. In diesem Szenario werden wir wahrscheinlich immer mehr Dienstanbieter sehen, die proaktiv ihre eigenen agilen, verteilten „Telko-Clouds“ erstellen und verwalten.
Ein gutes Beispiel hierfür ist Rakuten Mobile, das gerade das weltweit erste vollständig virtualisierte, Cloud-native Mobilfunknetz eingeführt hat. Der Netzbetreiber nutzt die NFV-Funktionen von F5, um sein neues Mobilfunknetz zu optimieren und seinen Weg zu 5G-Diensten im Jahr 2020 zu beschleunigen.
Wichtig ist, dass das vollständig virtualisierte Netzwerk eine Abkehr von einem Modell ermöglicht, bei dem Hardware und Software eng gekoppelt sind, sodass die NFV-Technologie mit den sich ständig ändernden Marktbedingungen Schritt halten kann.
Als Zeichen der Zukunft nutzt das 5G-fähige Netzwerk von Rakuten eine softwaregesteuerte Architektur, die vollständig in der Cloud basiert und so Stabilität, Skalierbarkeit und Agilität gewährleistet. Darüber hinaus trägt es dazu bei, die Kosten effektiv zu verwalten und den Verbrauchern eine sichere und leistungsstarke Konnektivität bereitzustellen.
Wenn wir über NFV sprechen, sollten wir nicht isoliert darüber nachdenken. Wir sollten darüber nachdenken , wie wir es nutzen können und welche bahnbrechenden Vorteile es dem Endbenutzer ( à la Rakuten) bringen kann. Bei NFV geht es nicht nur um die Virtualisierung von Netzwerkfunktionen, sondern darum, einen Weg zu einem vollständig Cloud-nativen Netzwerk zu ebnen.
Da sich immer mehr Netzwerke zu NFV entwickeln, wird die Abstraktion der Steuerungs- und Datenweiterleitungsebenen die Erstellung und Verwaltung neuer Dienste weiter vereinfachen. Bei richtiger Umsetzung sollten Dienstanbieter in der Lage sein, ein programmierbares Netzwerk auf Basis offener APIs nach Industriestandard zu nutzen, das neue Ebenen der Flexibilität und Agilität erschließt.
Letztendlich müssen Dienstanbieter NFV im größeren Kontext einer adaptiven Reise strategisch betrachten. Dabei wird es zunehmend darauf ankommen, ein wichtiges Zahnrad einer „Telko-Cloud“ zu sein: eine bis an die Ränder ausgebaute Infrastruktur mit sowohl VNFs und CNFs als auch Anwendungen und den zugehörigen Diensten (z. B. Lastausgleich und Sicherheit) – unabhängig davon, wo sie eingesetzt werden.
Zwar muss NFV nicht erneut als das angesagteste Akronym in der Branche hochgejubelt werden, aber es wäre ein großer Fehler, wenn Dienstanbieter seine dauerhaften (und sich ständig weiterentwickelnden) Vorteile unterschätzen würden.